BSE - Der nackte Wahnsinn

Ans Eingemachte (Stand 12.12.97)

Wenden wir uns aber von den spekulativen Ueberlegungen ab und betrachten jetzt die Daten, die man über das Prion Protein schon gesammelt hat.

Das Prion Protein des Rindes besteht aus 240 Aminosäuren mit folgender Sequenz (Abkürzungsverzeichnis)

KKRPKPGGGWNTGGSRYPGQGSPGGNRYPPQGGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGW
GQPHGGGWGQPHGGGGWGQGGTHGQWNKPSKPKTNMKHVAGAAAAGAVVGGLGGYMLGSA
MSRPLIHFGSDYEDRYYRENMHRYPNQVYYRPVDQYSNQNNFVHDCVNITVKEHTVTTTT
KGENFTETDIKMMERVVEQMCITQYQRESQAYYQRGASVILFSSPPVILLISFLIFLIVG

Die Sequenz ist in der Protein-Datenbank Swiss-Prot unter der Accession Nummer P10279 gespeichert (Schwein P49927, Maus P04925, Mensch P04156, Gorilla P40252, Huhn P27177). Dort lässt sich unter Database-Entry Points Swiss-Prot anwählen; Access to Swiss-Prot mit Hilfe des Textsuchers by full text search ermöglichen; in das Suchfeld "Prion" eintragen und schon kommt eine Liste mit mehr oder weniger verständlichen Kürzeln heraus. Unter Prio bovine lässt sich auf die Sequenz des Rindes zugreifen. Sollte man die Accession Nummer schon kennen, so kann man auch by accession number in der Suchroutine wählen.

Die Swiss-Prot Database hat den Vorteil, dass sie mit sehr viel Informationen zu den entsprechenden Sequenzen bestückt ist.

Weitere grosse Datenbankanbieter sind


 

Wie in der Sequenzgegenüberstellung zu erkennen ist, besteht eine hohe Homologie zwischen den Spezies Rind, Mensch, Gorilla, Maus und Schwein, wohingegen die Sequenz des Prions von Huhn rel. stark davon abweicht. Interessant sind noch die 6 x 8 Aminosäuren tandem repeats P-H-G-G-G-W-G. (An dieser Stelle lässt sich gut der Unterschied zwischen identischen Aminosäuren und konservativen Austauschen im Unterricht besprechen.)

Mensch         M--ANLGCWMLVLFVATWSDLGLCK-KRPKPGGWNTGGSRYPGQGSPGGNRYPPQGGGGW
Gorilla        M--ANLGCWMLVLFVATWSDLGLCK-KRPKPGGWNTGGSRYPGQGSPGGNRYPPQGGGGW
Maus           M--ANLGYWLLALFVTMWTDVGLCK-KRPKPGGWNTGGSRYPGQGSPGGNRYPPQ-GGTW
Rind           MVKSHIGSWILVLFVAMWSDVGLCKKRPKPGGGWNTGGSRYPGQGSPGGNRYPPQGGGGW
Schwein        MVKSHIGGWILVLFVAAWSDIGLCKKRPKPGGGWNTGGSRYPGQGSPGGNRYPPQGGGGW
Huhn           MARLLTTCCLLALLLAACTDVALSKKGKGKPSGGGWGAGSHRQPSYPRQPGYPHNPGYPH
 

Mensch         GQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQGGGTHSQWNKPSKPKTNMKHMAG---
Gorilla        GQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQGGGTHSQWNKPSKPKTNMKHMAG---
Maus           GQPHGGGWGQPHGGSWGQPHGGSWGQPHGGGWGQGGGTHNQWNKPSKPKTNLKHVAGA--
Rind           GQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGGWGQGGTHGQWNKPSKPKTNM
Schwein        GQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGWGQPHGGGGWGQGGGSHGQWNKPSKPKTNMKHVAG--
Huhn           NPGYPHNPGYPHNPGYPHNPGYPQNPGYPHNPGYPGWGQGYNPSSGGSYHNQKPWKPPKT
 

Mensch         -----A--AAAGAVVGGLGGYMLGSAMSRPIIHFGSDYEDRYYRENMHRYPNQVYYRPMD
Gorilla        -----A--AAAGAVVGGLGGYMLGSAMSRPIIHFGSDYEDRYYRENMHRYPNQVYYRPMD
Maus           --------AAAGAVVGGLGGYMLGSAMSRPMIHFGNDWEDRYYRENMYRYPNQVYYRPVD
Rind           KHVAGA--AAAGAVVGGLGGYMLGSAMSRPLIHFGSDYEDRYYRENMHRYPNQVYYRPVD
Schwein        -----A--AAAGAVVGGLGGYMLGSAMSRPLIHFGSDYEDRYYRENMYRYPNQVYYRPVD
Huhn           NFKHVAGAAAAGAVVGGLGGYAMGRVMSGMNYHFDSPDEYRWWSENSARYPNRVYYRDYS
 

Mensch         EYSNQNNFVHDCVNITIKQHTVTTTTKGENFTETDVKMMERVVEQMCIT--QYERESQAY
Gorilla        QYSNQNNFVHDCVNITIKQHTVTTTTKGENFTETDVKMMERVVEQMCIT--QYERESQAY
Maus           QYSNQNNFVHDCVNITIKQHTVTTTTKGENFTETDVKMMERVVEQMCVTQYQKESQAYYD
Rind           QYSNQNNFVHDCVNITVKEHTVTTTTKGENFTETDIKMMERVVEQMCIT--QYQRESQAY
Schwein        QYSNQNSFVHDCVNITVKQHTVTTTTKGENFTETDVKMIERVVEQMCIT--QYQKEYEAY
Huhn           SPVPQDVFVADCFNITVTEYSIGPAAKKNTSEAVAAANQTEVEMENKVVTKVIREMCVQQ
 

Mensch         YQRGSSMVLFSSPPVILLISFLIFLIVG-----
Gorilla        YQRGSSMVLFSSPPVILLISFLIFLIVG-----
Maus           GRRSSSTVLFSSPPVILLISFLIFLIVG-----
Rind           YQRGASVILFSSPPVILLISFLIFLIVG-----
Schwein        AQRGASVILFSSPPVILLISFLLFLIVG-----
Huhn           YREYRLASGIQLHPADTWLAVLLLLLTTLFAMH     
 

Aus technischen Gründen wurde die Maus-Prion-Form für die Bestimmung der dreidimensionalen Struktur verwendet. Ausserdem konnte das gesamte Protein gentechnisch nicht gut produziert werden. Systematische Untersuchungen hatten jedoch gezeigt, dass der C-terminale Teil von Aminosäure 121- 231 für die Funktion des Prions am wichtigsten ist und eine "in sich geschlossene Struktureinheit", eine Domäne bildet. Von diesem gekürzten Fragment des Maus-Prion-Proteins wurde eine dreidimensionale Struktur von der Arbeitsgruppe um Prof. Wüthrich and der ETH, Zürich per Nuclear Magnetic Resonance (NMR) erstellt (Nature 382, 180-182 (1996)). Erst die Kenntnis der dreidimensionalen Struktur ermöglicht das Verständnis für den Mechanismus der Umwandlung von PrPC zu PrPSc.

Folgende Strukturelemente wurden beschrieben:

121VVGGLGGYMLGSAMSRPMIHFGNDWEDRYYRENMYRYPNQVYYRPVDQYSNQNNFVHD

CVNITIKQHTVTTTTKGENFTETDVKMMERVVEQMCVTQYQKESQAYYDGRRS231

  •   3 alpha-Helices von AA 144-154, AA 179-193, AA 200-217 in fett gekennzeichnet
  • 2 anti-parallele beta-Faltblattstrukturen von AA 128-131, AA 161-164 in kursiv gekennzeichnet
  • Die erste Windung der 2. alpha-Helix und die letzte Windung der 3. alpha-Helix sind über die Cysteine (unterstrichen) als Disulfidbrücke miteinander verbunden.
  • 2 N-Glycosylierungsstellen bei Asn 181 und Asn 197  (unterstrichen)

 
In der Visualisierung erkennt man, angefangen vom N-Terminus die erste Hälfte der beta-Faltblattstruktur und die erste alpha-Helix auf dem Bild links. Die 2. alpha-Helix liegt hinten rechts. Auf der Verbindung liegt die 2. Hälfte der beta-Faltblattstruktur. Die 3. alpha-Helix liegt in der Mitte der Graphik. Die Disulfidbrücke ist sehr schön durch die weisse eckige Verknüpfung oberhalb der beta-Faltblattstruktur zu sehen. Die 2. und die 3. alpha-Helix sind über die Disulfidbrücke zu einer Art verdrehter V-Struktur verbunden, während die 1. alpha-Helix relativ isoliert liegt. Recht schlecht darzustellen ist der Umstand, dass das Protein einen sog. hydrophoben Kern enthält, erzeugt durch hydrophobe Aminosäuren, die über die ganze Domäne verteilt sind, sich aber in einer strukturellen Nachbarschaft befinden. Eine Störung des hydrophoben Kerns, z.B. durch Aufblättern führt sehr leicht zu extremen Löslichkeitsverschiebungen des Proteins.
 

Es besteht die Möglichkeit die Struktur eines Proteins theoretisch aus der Primärstruktur abzuleiten, was jedoch nur gewisse Anhaltspunkte für die wirkliche Struktur gibt. Starke Helix-Bildner sind Glu, Ala, Leu und Met, starke Helix-Brecher Gly und Pro, während Tyr, Val und Ile starke Faltblatt-Bildner und Glu, Pro und Asp starke Faltblatt-Brecher sind. Für die oben gezeigte Domäne wurden 4 alpha-Helices vorausgesagt.

Die Domäne in ihrer dargestellten Anordnung der einzelnen Elemente besitzt eine ganz aussergewöhnliche Struktur. Die Suche in der 5500 Einträge enthaltenen Brookhaven Strukturdatenbank zeigte kein Protein, dass eine ähnliche Struktur aufwies. Das heisst aber nicht, dass es diese Struktur nicht gibt, denn es sind erst "relativ" wenige Strukturen bekannt.