SPEKTROGRAPHIE
Geschichte der Spektrographie
Die heutigen Spektralklassen sind in der jetzigen Form erst seit dem frühen 20. Jahrhundert bekannt. Das MK-System entstand erst nochmals 50 Jahre später.
1704: Isaac Newton bemerkt, dass sich das «weisse» Sonnenlicht mit einem Prisma oder Stück Glas in seine Farbkomponenten aufspalten lässt.
1792: William Hyde Wollaston bemerkt sieben Absorptionslinien im Sonnenspektrum, meinte aber, dass diese Grenzen zwischen den Farben darstellen.
1798: Friedrich Wilhelm Herschel untersucht mit einem Prisma einige Sternspektren und vergleicht sie mit Sirius. Er bemerkt einen Zusammenhang zwischen Sternspektrum und der von Auge beobachteten Farbe des Sterns.
1814: Joseph von Fraunhofer findet 576 dunkle Absorptionslinien im Sonnenspektrum, die später als Fraunhoferlinien bezeichnet werden. Dieselben findet er auch in den Spektren von Mond und Venus. Er benennt die Wichtigsten willkürlich mit Buchstaben, ohne zu wissen, dass sie von verschiedenen chemischen Elementen in der Sonnenatmosphäre verursacht werden. Er kommt zum Schluss, dass Mond und Venus nur leuchten, weil sie das Sonnenlicht reflektieren. In Spektren anderer Sterne entdeckt er später unterschiedliche Linien, die teilweise im Labor mit Chemikalien erzeugt werden können. Er entdeckt somit, dass die Zusammensetzung von Sternatmosphären mit Hilfe ihres Spektrums erforscht werden kann.
1827: Friedrich Georg Wilhelm Struve katalogisiert erstmals Doppelsterne, indem er sie nach ihrer beobachteten Farbe einteilt. Später folgen weitere Kataloge.
1859: Gustav Robert Kirchhoff beweist, dass die Absorptionslinien der Sternenspektren von gasförmigen Elementen herrühren, die sonst vor einem dunklem Hintergrund Emissionslinien hervorrufen. Er gilt als eigentlicher Gründer der Spektroskopie.
1860-1870: Pietro Angelo Secchi und Sir William Huggins klassifizieren Sterne erstmals in fünf Spektralklassen. Als Kriterium verwenden sie die Stärke der von Johann Jakob Balmer identifizierten Wasserstofflinien:
- Blau-weisse Sterne mit starken Wasserstofflinien, z. B. Wega.
- Gelbe Sterne mit zahlreichen Metalllinien und schwächeren Wasserstofflinien, z. B. die Sonne.
- Rote Sterne mit auffälligen Banden (Titanoxid) und Linien von einfach ionisierten Metallen, z. B. Beteigeuze.
- Sehr rote Sterne mit Banden (von Kohlenstoff-Verbindungen) und nicht heller als 5mag ohne Wasserstoff-Linien, zum Beispiel X Cancri.
- Spektren mit Emissionslinien, z. B. P Cygni.
1872: Henry Draper fotographiert zum ersten Mal ein Spektrum eines Sternes (Wega). Er gilt auch als Erfinder des Gitterspektrographen.
1874: John Francis Skjellerup und andere Astronomen erstellen einen neuen Katalog mit Hunderten von roten Überriesen, da diese wegen ihrer grossen Leuchtkraft auch in grosser Distanz gut beobachtet werden können.
1886: Edward Charles Pickering teilt Secchis und Huggins Katalog (s. 1860er Jahre) in 16 alphabetisch buchstabierte Untergruppen, nämlich A-Q (ohne J). Er benennt ihn zu Ehren Drapers (s. 1872) Henry-Draper-Katalog. Pickering erkennt später bereits selbst, dass gewisse Spektralklassen fehlerhaft sind. Deshalb werden einige Klassen gestrichen und andere zusammengefügt. So entstand das Harvard-System, das später zum heutigen Spektralklassen-System weiterentwickelt wurde.
1897: Antonia Maury erstellt eine neue Spektralklassifikationsmethode mit 22 Klassen. Sie zeigt, dass die Spektralklasse B im Henry-Draper-Katalog vor der Klasse A statt vor F stehen sollte. Da Maury auch die Breite der Spektrallinien berücksichtigt, führt dies später zur Unterscheidung von Zwerg- und Riesensternen und damit zum MK-System.
1901: Annie Jump Cannon entdeckt ebenfalls, dass die Spektralklasse B vor A stehen sollte, und zusätzlich dass die Spektralklasse O vor B versetzt werden muss, weil bei beiden Klassen ähnliche Spektrallinien (von Helium) auftreten. Verblieben ist das heute noch gebräuchliche System OBAFGKM, das man sich durch Cannons Merkspruch «Oh Be A Fine Girl Kiss Me» einprägen kann. Im Weiteren führt Cannon für Spektren, die zwischen zwei Klassen liegen, eine Dezimalunterteilung ein. Ein Stern zwischen der Spektralklasse G und K wird so z. B. als G5 klassifiziert. Mit der Verbesserung der Instrumente sollten später immer mehr Unterklassen (zum Beispiel B0.5) hinzukommen. Die Klassen R, S und N, bei denen es sich um Klassifikationen für Kohlenstoff-Sterne handelt, kamen erst später dazu.
1910: Henry Norris Russell entwickelt mit Ejnar Hertzsprung ein Diagramm, das später als Hertzsprung-Russell-Diagramm (kurz HRD) bekannt werden sollte. Darin wird die absolute visuelle Helligkeit der Sterne gegen ihren Spektraltyp aufgetragen. Diese steht im Zusammenhang mit der Entwicklung von Sternen und bildet die Basis für das 1943 eingeführte MK-System.
1921: Megh Nad Saha kann die unterschiedlich breiten Spektrallinien theoretisch erklären. Er stellt fest, dass es sich bei den Spektraltypen lediglich um eine Temperatursequenz von den heissen Sternen der Spektralklasse O (bis zu 50'000K) bis zu den kühlsten der Spektralklasse M (rund 2'500K) handelt. Die Sequenz der Spektraltypen ist auch eine Farbsequenz. So sind Sterne der Spektralklasse O bläulich und bei den nächsten Spektralklassen wechselt die Farbe über weisslich, gelblich bis zu rötlich bei der Spektralklasse M.
1943:
William Wilson Morgan und Philip C. Keenan vereinfachen die zunehmend unübersichtlichen Bezeichnungen für die Leuchtkraft. Dazu definierten sie sechs römisch nummerierte Leuchtkraftklassen:
0 - extrem helle Überriesen
I - Überriesen
II - helle Riesen
III - Riesen
IV - Unterriesen
V - Hauptreihensterne oder historisch bedingt auch Zwerge
Dabei werden die Präfixe a und b für heller bzw. schwächer als normal an die entsprechende römische Zahl angehängt. Gamma Cygni, ein etwas schwächerer Überriese der Spektralklasse F8, wird somit mit F8 Ib katalogisiert. Bei Überriesen werden die Präfixe immer angehängt, wobei das Präfix ab, das sonst weggelassen wird, normal bedeutet. Heute heisst diese Einteilung gemäss ihren Gründern MK-System und wurde mit zwei weiteren Klassen, nämlich VI für Unterzwerge und VII für Weisse Zwerge, ergänzt.
1954: Marcel Gilles Jozef Minnaert testet, ob nur mit den eigenen Augen Sterne anhand ihrer Farbe in die Spektralklassen eingeteilt werden können. Er schafft dies mit einem maximalen Fehler von 0.2 Spektralklassen, was den Zusammenhang zwischen Farbe und Spektralklasse eindrücklich bestätigt.