Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 Griechische und römische Prooemien im Vergleich


Lehrgedicht
Theogonie von Hesiod ( um 700 v.Chr)
Auszug

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Von den Musen des Helikon
Lasst uns beginnen zu singen,
Sie, die des Helikon Höhe bewohnen,
Die mächtige, gotterfüllte,
Und um die veilchendunkle Quelle
Tanzen sie mit zarten Füssen,
Und um den Altar des hochmächtigen Sohnes des Kronos;
Und erst baden sie ihre feine Haut
In den Wassern des Permessos
Oder der Rossquelle oder des gotterfüllten Olmeios
Und führen dann oben auf dem Gipfel des Helikon
Ihre Reigen auf,
Schöne, sehnsuchterweckende,
Und setzen im Takt die Füsse.

Von dort machen sie sich auf,
Eingehüllt in den Schleier dichten Dunstes,
Und in den Nachten ziehen sie oft dahin
Und lassen ihre makellos schöne Stimme erschallen
Und preisen Zeus, den Herren der Aigis,
Und die erhabne Hera, die Herrin von Argos,
Die auf goldenen Sandalen schreitet,
Und die Tochter des Aigisherren Zeus,
Athene, die strahlenaugige,
Und Phoibos Apollon und Artemis, die pfeilfrohe,
Und Poseidon, den Herren der Erde,
Der Erde Erschütterer,
Und Themis, die ehrwurdige,
Und sie mit den Mandelaugen, Aphrodite,
Und Hebe, die goldreifbekränzte, und die schöne Dione
Und Leto und Iapetos und auch Kronos,
Ihn, der Krummes sinnt,
Und Eos und den gewaltigen Helios
Und die leuchtende Selene
Und die Erde und den gewaltigen Okeanos
Und die dunkle Nacht
Und der andern Unsterblichen heiliges Geschlecht,
Der immerfort Seienden.

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Diese Gottinnen haben eines Tages
Hesiod schönen Gesang gelehrt,
Wie er die Schafe weidete
Am Hang des gotterfüllten Helikon.
Und das war das Wort, das im Anbeginn
Die Göttinnen zu mir sprachen,
Sie, die Musen des Olymp, des Aigisherren Töchter:
«Ihr Hirten, unbehauste, traurige Gesellen,
Nichts als Bäuche,
Wir wissen trügenden Schein in Fülle zu sagen,
Dem Wirklichen ähnlich,
Wir wissen aber auch, wenn es uns beliebt,
Wahres zu künden.»
So sprachen des grossen Zeus Töchter,
Die über das rechte Wort verfügen,
Und gaben mir den Stab des Sprechers,
Des stark sprossenden Lorbeers Zweig,
Ihn mir zu brechen, den bewunderten,
Und hauchten mir Stimme ein, göttliche,
Auf dass ich rühme, was sein wird
Und was vorher gewesen,
Und sie hiessen mich preisen der Seligen Geschlecht,
Der fort und fort Seienden,
Sie selber aber zuerst und zuletzt allezeit zu singen.
Aber wozu erzähl ich das,
Geschichten vom Baum oder Fels ?

 

Übersetzung W. Marg


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