Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 Quelle:

Neue Zürcher Zeitung WOCHENENDE Samstag/Sonntag, 28./29. Juli 1990 Nr. 173  70

 

Einladung zum Irrgang (IV)

Designer-
Labyrinthe

Text und Aufnahmen von Georg Gerster

In den siebziger und achtziger Jahren wurde in Europa, und da namentlich in England, die ehrwürdige Tradition des Irrens mit zahlreichen Labyrinthen erneuert. Diese Labyrinthe einer neuen Generation waren pfiffiger, spielerischer, phantasievoller, vielleicht sogar künstlerischer, dem Schwierigkeitsgrad nach aber tückischer und hinterhältiger. Der Marquess von Bath liess im Park von Longleat House nach einem Entwurf Greg Brights das grösste je gepflanzte Heckenlabyrinth anlegen, dem sechs Holzbrücken ausserdem Dreidimensionalität verleihen; kein Wunder, dass allabends eine Labyrinthpatrouille rettungslos Verirrte einsammeln muss. In einem Gespräch beschwor damals Greg Bright die süsse Euphorie des Sichverlierens: das Labyrinth als Droge. Die Wiederbelegung der Labyrinthtradition fällt ja in die Zeit, in der die Kohorten eines neuen Irrationalismus mobil machten - nicht umsonst wurde das Labyrinth eine bevorzugte Denkfigur der New-Age-Bewegung. Die Bright-Nachfolger - Randoll Coate, ein Diplomat im Ruhestand, und Adrian Fisher, Exunternehmensberater, für den jetzt der Irrtum das Leben ist - betonen mit ihren Schöpfungen wieder eher den Spass, der dem Labyrinthgänger aus dem Begehen ihrer Skulpturen erwachsen soll. Der Erfolg ihrer Firma Minotaur Designs gibt ihnen recht: Fisher, heute der Motor von Minotaur, hat nicht weniger als drei Dutzend Labyrinthe in verschiedenen Stadien der Vorbereitung. Die Minotaur-Entwürfe stellen den Amüsierwert in den Vordergrund, aber dann und wann frönen sie ungehemmt auch dem Symbolischen. Den ehrgeizigsten Irrgarten dieser Art entwarf Randoll Coate für die Baronin Louise Falkenbere. eine schwedische Gutsbesitzerin in Värmlands Säby. Das Schöpfungs- oder Falkenei - in Anspielung an den Vogel im Familiennamen - verschlüsselt kunstvoll Elemente des Familienwappens und der biblischen Paradieserzählung, das Labyrinth wird zum Vexierbild. Das Ziel, das Eigelb, symbolisiert die Sonne. Alle Masszahlen des 55 mal 44 Yard grossen Labyrinths sind so gewählt, dass sie stets ein Vielfaches der Zahl elf sind - eine Huldigung an den für das Innenleben der Sonne wichtigen Elfjahrezyklus.

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Longleat House (60KB)

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Beazer Gardens in Bath (56KB)

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Bicton-Freizeitpark, Devon (28KB)

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Lechlade, Gloucestershire (32KB)

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Schloss Kentwell Hall bei Long Melford (Suffolk) (32KB)

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Värmlands Säby (Schweden) (40KB)

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Lappa-Labyrinth bei St. Newlyn East, England (60KB)


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