Molekülschwingungen (2-Bromethanol)

Wenn man sich das schwingende 2-Bromethanol-Molekül ansieht, erscheinen die Schwingungen vielleicht zufällig und beliebig und es ist schwierig, irgend ein Muster darin zu erkennen.

Schwingendes Bromethanolmoleküle.

Die Situation ist ähnlich wie mit der Schallwelle in (Abbildung 1):

Schall-Welle

Abb 1. Eine Schallwelle

Die Welle scheint völlig zufällig auf und ab zu schwingen, und so würde man als entsprechenden Schall vielleicht irgend ein unregelmässiges Tosen oder Rauschen erwarten. Dies trifft aber nicht zu, vielmehr tönt die entsprechende Schallwelle so:

Tatsächlich stellt diese Welle also einen harmonischen Klang dar - den ersten Klang von Mozarts Zauberflöte. Unser Ohr zerlegt die Welle in einzelne Komponenten-Wellen (Sinus-Wellen) und merkt dann, dass diese harmonisch zusammenpassen. Man kann aber nicht nur hören, dass die Welle ein harmonisches Ganzes ist, man kann es auch sehen. Mit einem Verfahren namens Fourier-Analyse kann man die Welle in ihre Frequenzanteile zerlegen (Abbildung unten). Anders gesagt, man berechnet, welche Frequenzen die einzelnen Komponenten-Wellen haben und wie gross ihre Intensität ist (Abbildung 2).

Schall-Spektrum

Abb 2. Fourier-Analyse einer Welle (A). B bis D: Komponentenwellen der Welle in A. E: Spektrum der Welle.

Da der Anfangs-Klang aus Mozarts Zauberflöte harmonisch ist, bilden seine Frequenzanteile auch ein regelmässiges Muster: Sie sind mehr oder weniger alle ganzzahlige Vielfache derselben Grundfrequenz (um 75 Hz) (Abbildung 3).

Schall-Spektrum

Abb 3. Frequenzspektrum zu Klang und Welle in Abbildung 1

Dieser harmonische Gesamtklang kommt durch einzelne Töne zusammen, die von den verschiedenen Instrumenten im Orchestergraben stammen.

Das alles ist bei unserem Molekül ganz ähnlich. Auch das Molekül schwingt nicht beliebig, sondern es treten ganz bestimmte Schwingungsfrequenzen auf. Die Schwingungsfrequenzen liegen im Frequenzbereich von Infrarotstrahlung. Daher absorbieren Moleküle Infrarotstrahlung und geraten dabei in Schwingung.

Es zeigt sich, dass hier jede Schwingung von einer anderen Atomgruppierung stammt. Die Atomgruppierungen entsprechen gewissermassen den Musikanten, die den “Gesamtklang”, das gesamte IR-Spektrum, erzeugen. Aber während die Musikanten im Orchester charakteristische Klangwellen emittieren, untersucht man bei Molekülen eher, welche charakteristischen IR-Wellen sie absorbieren.

Verschiedene Strukturen in Bromethanol-Molekül schwingen mit sehr unterschiedlicher Frequenz. Beispielsweise sind die Streckschwingungen der C-H-Bindungen schnell, wobei sich vor allem die leichten H-Atome stark bewegen, während die massereicheren C-Atome fast an Ort bleiben. Dabei schwingt ein bestimmtes H-Atom immer mit derselben typischen Frequenz (Eigenfrequenz). Dies ist im obigen Video aber schwer zu erkennen, weil die verschiedenen Schwingungsarten (Schwingungsmodi) einander überlagern. Trotzdem ist gut zu erkennen, dass die schweren Atome viel langsamere Schwingungen ausführen als die leichten. Besonders langsam bewegen sich die massereichen Bindungspartner der C-Br-Bindung. Dies zeigen auch die Animationen im 3D-Viewer ganz unten.

Ein Infrarotspektrum erhält man, indem man eine Probe mit Infrarotstrahlung bestrahlt und dann aufträgt, welche Frequenzen wie stark absorbiert werden.

IR-Spektrum

Abb 4. IR-Spektrum von gasförmigem 2-Bromethanol

jmolbereich