Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

  

Logo

Klassische Sprachen
Latein, Griechisch
KZU


Quelle:

Neue Zürcher Zeitung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 27.10.1999 Nr. 250  79

 

Essen und Trinken
im Altertum

Herdstellen und Latrinen als Fundgruben

Das Essen nimmt einen bedeutenden Teil des Lebens in Familie und Gesellschaft ein. Küchengerät und Essgeschirr haben sich gut erhalten, der Nachweis von Nahrungsmitteln aber setzt besondere archäozoologische und archäobotanische Methoden voraus. Bei der Schlämm-Methode beispielsweise werden mittels einer Folge von Sieben mit abnehmender Maschengrösse kleinste organische Teile ausgesondert und danach identifiziert. Herdstellen und Kremationsorte sind ergiebige Fundplätze, wo sich pflanzliche Überreste in verkohltem Zustand erhalten haben. Da sich organisches Material im feuchten, sauerstoffarmen Milieu besonders gut konserviert, sind auch Abfallhalden, Brunnenschächte und Latrinen wahre Fundgruben. Anhand von Knochenfunden kann nicht nur die Tierart ermittelt werden - Schnittspuren und Verkohlungen lassen zudem auf die Art der Zubereitung schliessen. Neben der Archäologie liefert auch die antike Literatur Hinweise zur damaligen Ernährung.

Bei den Griechen waren Gastmähler stets mit einem Tieropfer verbunden, wobei sich die angesprochene Gottheit mit Ungeniessbarem wie der Gallenblase zufriedengeben musste. Während die Männer im «Andron» speisten, assen Frauen und Kinder gesondert. Für solche Anlässe wurden Köche gemietet. Hauptnahrungsmittel waren Hülsenfrüchte wie Bohnen und Lupinen. Da Weizen in Griechenland schlecht gedieh, wurden Brote aus andern Getreidearten gebacken und mit Gemüse, Käse, Eiern und Fisch serviert. Als Apéritif wurde verdünnter, zum Essen dann unverdünnter Wein gereicht. Malve und Asphodeloszwiebel, die Kartoffel der Antike, waren die wichtigsten Gemüse.

Im alten Rom gab es erst nach der Unterwerfung Griechenlands eine Esskultur, nachdem die römischen Offiziere vom Feldzug Künstler und Köche mitgebracht hatten. Im Triclinium, was soviel wie «drei Liegen» bedeutet, wurde nach griechischer Sitte getafelt, die Speisen wurden nach griechischen Kochbüchern zubereitet. Wichtig waren Aufläufe aus Gemüse, Fisch, Käse, Innereien, Eiern und Früchten und - unerlässlich zu allen Gerichten - Saucen, besonders die Fischsauce oder Liquamen, die in Amphoren aus Spanien importiert wurde. Da viele Haushalte nicht über eine Küche verfügten, gab es in den grossen Städten bereits damals unter dem Namen Tabernen Fast-food-Buden.

In Augusta Raurica (Augst, BL) fand eine Gruppe um Alex Furger, dass die städtische Bevölkerung offenbar das Schweinefleisch dem Rindfleisch vorgezogen hatte. Die Untersuchung einer einzelnen Herdstelle förderte über 400 Knochen zutage, die zu einem Drittel dem Schwein und zu einem Viertel den «Luxusgütern» Huhn und Feldhase zugeordnet werden konnten. Reste von Wildvögeln und Austern belegen weiter, wie wohlhabend die Hausbesitzer offenbar gewesen waren. Mit Hilfe der Schlämm-Methode konnten zudem weitere Überreste identifiziert werden, wobei die Hälfte von Fischen stammte - und nicht etwa von einheimischen Fischen, sondern von Mittelmeermakrelen, die offenbar eingepökelt oder als Fischsauce importiert wurden. Die Leute von Neftenbach schienen gar auf Wild spezialisiert gewesen zu sein: Knapp 10 Prozent der gesamten Knochenfunde stammen dort vom Hirsch.

Aldo Colombi