Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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Neue Zürcher Zeitung Ressort Literatur und Kunst, 13. Oktober 2001, Nr.238, Seite 86

 

Apollon und Dionysos

Götterbilder im Kaleidoskop neuzeitlicher Rezeption

Von Cornelia Isler-Kerényi

Von allen Göttern der Griechen sind diese wohl am besten bekannt. Apollon steht heute noch für Mass, Ordnung, Klarheit, Dionysos für das Gegenteil: das Irrationale, Chaotische, Ungeformte. Die vielen Bilder des Wein- und Theatergottes inmitten von ausgelassen tanzenden Silenen passen nicht schlecht zur gängigen modernen Vorstellung von Dionysos als Gott des Rausches und der Ekstase.

Die Kunst vermittelt von Dionysos von Anfang an, also schon um 600 v. Chr., auch ein anderes Bild als das subversive. Im Ringen der olympischen Götter gegen die revoltierenden Giganten etwa, einem Schlüsselereignis in der Entstehung der geordneten Welt, kämpft Dionysos effizient auf der Seite der Götter. Auch bei anderen mythischen Ereignissen tritt er als Garant der guten Beziehungen unter den Göttern und der Menschen zu den Göttern auf: Es wird ihm also eine ausgleichende, die kosmische Ordnung stabilisierende Rolle zugeschrieben. Zu diesem anderen Gesicht des Dionysos passt, dass seine Feste und die dazugehörenden dramatischen Aufführungen wichtige offizielle Anlässe im rituellen Kalender des Stadtstaates Athen waren. So stellt sich die Frage: Wie passen beide Gesichter des Dionysos, das ordnungskonforme und das subversive, zusammen? Und warum ist von ihm bis vor kurzem nur das zweite wahrgenommen worden?

NIETZSCHE

Wenn uns die Kategorien «apollinisch» «und dionysisch» heute geläufig sind, so ist dies dem berühmten Werk des jungen Friedrich Nietzsche, «Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik», von 1872 zu verdanken, dessen Leitmotiv sie vom ersten Satz an sind. Zwar wollte der Autor abklären, wie die griechische Tragödie als höchste Äusserung des griechischen Geistes entstanden war, doch war es ihm nicht um eine historische Rekonstruktion zu tun, sondern um die Motoren des kreativen Prozesses im Menschen und um die ästhetischen Bestandteile einer erfolgreichen Kunstform. Damit wollte er sich in die damals heiss geführte Diskussion um die Musik Richard Wagners einschalten und ihr denselben hohen Rang in der europäischen Kunst nachweisen, den die Tragödie in der antiken Kunst einnimmt. Dies vor dem Hintergrund des von Deutschland damals gerade siegreich ausgefochtenen preussisch-französischen Krieges: Wie der militärische Sieg sollte auch die Oper Wagners zur Manifestation der deutschen Überlegenheit werden. Es ging ihm letztlich also weniger um die Griechen als um ein «ernsthaft deutsches Problem», wie er im Vorwort sagt. Wagners Oper erscheint zuletzt als Wiedergeburt der antiken Tragödie, als triumphale Wiedervereinigung der beiden konkurrierenden und komplementären Kunstmotoren des Apollinischen und des Dionysischen. Wobei allerdings die grössere Sympathie des Autors für das Dionysische, für das angeblich Unklassische der antiken Kunst, bis in die letzten Sätze des Buches unüberhörbar ist.

Diese Schrift löste augenblicklich eine heftige Polemik unter Altphilologen aus. Auf eine erste scharfe Entgegnung durch Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff folgte die nicht weniger böse Replik von Erwin Rohde. Gleichzeitig wurde Nietzsches ästhetische Argumentation historisch umgedeutet. Es ging also gar nicht mehr um Wagners Musik, sondern um ein Problem der antiken griechischen Kultur: die Entstehung der Tragödie und der übrigen dramatischen Gattungen. Ein Hauptthema der Altertumswissenschaft, und damit auch der Kunstgeschichte der Antike, war geboren. Was uns heute überrascht, ist die Virulenz dieses berühmten Streites, die in keinem Verhältnis steht zum argumentativen Unterbau. Dafür sind mittlerweile einige recht plausible Motive identifiziert worden: Empörung von Wilamowitz' über Nietzsches «Verrat» sowohl an der gemeinsamen Ausbildungsstätte Schulpforta wie auch am gemeinsamen Lehrer Otto Jahn, unausgesprochen wohl auch der Karriereneid auf den nur vier Jahre Älteren, der mit 24 Jahren bereits Professor der Klassischen Philologie in Basel geworden war. Völlig inakzeptabel und sofort zu tilgen war aber in den Augen von Wilamowitz' das dem klassizistischen Kanon widersprechende Bild, das Nietzsche implizit - übrigens in den Fussstapfen mancher Vorgänger seit der Romantik - für das antike Griechenland entwarf.

Allerdings war keine der mentalen Kategorien, die Nietzsches Argumentation begründen - weder der Gegensatz apollinisch - dionysisch noch der auf Fortschritt ausgerichtete Verlauf der Geschichte, noch auch die angebliche Seelenverwandtschaft von Deutschen und Griechen und die daraus abgeleitete intellektuelle Führungsrolle -, damals neu, sondern sie gehörten seit Winckelmann zum Wissensfundus jedes Gebildeten im deutschen Sprachraum. Deshalb wurden sie sowohl von Nietzsches Widersachern, allen voran von Wilamowitz, wie von Rohde und auch von Wagner diskussionslos geteilt.

VOR UND NACH NIETZSCHE

Um die eingangs gestellten Fragen zu klären, genügt es, den Verlauf der Interpretationsarbeit in grossen Zügen nachzuzeichnen. Das Apollon-Bild Nietzsches geht direkt auf Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) zurück. Seine Beschreibung der Apollon-Statue im Vatikanischen Belvedere in der «Geschichte der Kunst des Altertums» von 1764 gilt als der reinste Ausdruck des damals aufkommenden klassizistischen Geschmacks. Für Winckelmann war die Schönheit des Apollon allerdings kein rein ästhetisches, sondern ein moralisches Phänomen, nämlich Ausdruck des Besten im Menschen: seines Strebens nach Freiheit. Der Apoll im Belvedere ist für ihn deshalb so schön, weil er die Freiheitsliebe der Griechen am besten zum Ausdruck bringt und so zum Vorbild für alle späteren Zeiten wird. Demgegenüber verkörpert Dionysos das verweichlichte orientalische - sprich untertänige - Wesen.

Ganz hoch stand Apollon ebenfalls in der Wertschätzung von Karl Otfried Müller (1797 bis 1840). Auch bei Müller stellt Dionysos die Antithese zu Apollon dar, allerdings als Manifestation nicht des Orientalischen, sondern der vorgriechischen Bewohner Griechenlands (der Pelasger oder der Thraker) und als Ausdruck jener älteren chthonischen Phase der Religion, die der von Homer evozierten olympischen vorausgegangen sein soll. Müllers Korrektur von Winckelmanns Konzept war nötig, um das Nachleben des Dionysos im klassischen Griechenland und die Aussage des Aristoteles zu erklären, wonach die griechische Tragödie aus einem dionysischen Kultlied, dem Dithyrambos, hervorgegangen war. Bei einem Gott der primitiven vorgriechischen Zeit wurden zudem zwei Züge der dionysischen Welt plausibel, die weder mit dem asketisch-vergeistigten protestantischen Religionsbegriff noch mit dem klassizistischen Griechenbild vereinbar waren: das Rauschhaft-Ekstatische seines Kultes und die zur Schau gestellte männliche Sexualität der ihn umgebenden Silene.

Apollon und Dionysos sind also lange vor Nietzsche als Gegensatz beschrieben worden, und von Anfang an macht sich die Tendenz bemerkbar, den Dionysos irgendwie auszugrenzen und als nicht in vollem Sinn griechisch zu definieren bzw. nur seine mit dem klassizistischen Griechenbild kompatiblen Seiten gelten zu lassen, wie man dies beim schon genannten Archäologen und Mozart-Spezialisten Otto Jahn (1813-1869) feststellen kann. Die Tendenz zur Ausgrenzung setzt sich auch nach dem lauten Zwischenruf Nietzsches, seinem Plädoyer für das Dionysische, fort, und zwar sogar bei seinem Freund Rohde, der im berühmten Streit für ihn eingetreten war.

Auch Erwin Rohde (1845-1898) war ein Vertreter der deutschen Altertumswissenschft, der über den Fachkreis hinaus bekannt wurde: zuerst mit einem Werk über den griechischen Roman, dann mit «Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen» von 1893. Darin sollte der Übergang von der antiken Religion zur christlichen erklärt werden, für welche der Unsterblichkeitsglaube charakteristisch sei. Da die homerische Götterwelt keine Vorstufen dazu aufweise, musste ein in Griechenland später von Norden eingedrungener Glaube an einen Gott der Ekstase, des Einswerdens mit dem Göttlichen postuliert werden. Auf Rohde geht also im Wesentlichen der moderne Mythos vom thrakischen Ursprung des Dionysos zurück, und so wurde aus dem thrakischen Heros Orpheus sein «Prophet».

Der nordische Dionysos, der allerdings auch über anatolische Wurzeln verfügt haben soll, lebte weiter in der vor allem im angelsächsischen Raum bis heute sehr einflussreichen Rekonstruktion der Frühzeit der griechischen Religion durch Jane Ellen Harrison (1850-1928). Seit K. O. Müller war es üblich, die Mythologie als verkleidete Erinnerung an Ereignisse, die wirklich stattgefunden hatten, zu verstehen und so die Vorgeschichte der Religion zu ermitteln. Harrison beschreitet stattdessen, wie die anderen Cambridge Ritualists, einen anderen Weg: Zur Klärung der ältesten Schichten der Religion dienen ihr mehr die Riten als die Mythen. Dionysos ist für sie ein mächtiger Urzeiten-Gott der Vegetation, der Fruchtbarkeit und der Initiation, der erst sekundär durch die Berührung mit der mediterranen Welt auch zum Weingott geworden sei.

Bei Rohde und bei Harrison erscheint Dionysos als ein exotisches Element im griechischen Kosmos, das aber entscheidend zur Wirksamkeit der antiken Religion beigetragen hat. Erst bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (1848 bis 1931), zuletzt in seinem «Glauben der Hellenen» von 1931/32, erfolgt - auf Grund der unrichtigen Annahme, Homer habe das Dionysische abgelehnt - seine Deklassierung zum spät gekommenen Gott der Bauern, der Unterklasse und der Frauen. Als einzigen positiven Beitrag zur Kultur muss er ihm die Tragödie zugestehen: Die explizite Aussage des Aristoteles konnte nicht aus der Welt geschafft werden. Die über vierzig Jahre dauernde, sehr einflussreiche Lehrtätigkeit von Wilamowitz' hat diesem deklassierten Dionysos in der Antikenforschung eine grosse und bleibende Verbreitung gesichert.

Auf diese Sicht des Dionysos folgte zwei Jahre später die Darstellung «Dionysos. Mythos und Kultus» von Walter F. Otto (1874-1958). Er stellt sich klar auf die Seite Nietzsches und gegen die positivistischen und evolutionistischen Anschauungen über die griechische Religion sowohl von Wilamowitz' wie der Cambridge Ritualists. Für Otto standen am Anfang nicht die abergläubischen Fruchtbarkeitsriten der Primitiven, sondern Erfahrungen mit den Göttern, die zu ihrer Zeit nicht weniger glaubwürdig gewesen seien als später der christliche Gott. Der im Verlauf der Antikenstudien mittlerweile verblasste Gegensatz Apollon - Dionysos ist von Otto neu belebt und in die Figur des Dionysos gleichsam integriert worden: Aus ihm soll nicht nur die Tragödie hervorgegangen sein, sondern jede Schöpfung der Menschen und der Natur.

Vereinfachend gesagt, standen in den dreissiger Jahren zwei Auffassungen von Dionysos einander gegenüber: eine akademisch abgesegnete reduktive Sicht, welche den Gott zu einem marginalen und sekundären, fast schon überflüssigen Phänomen machte. Ausserhalb der Fachkreise blieb Nietzsches ekstatischer, kreativer, aber potenziell subversiver Dionysos im Vordergrund. Mit beiden Dionysos-Bildern verbanden sich starke Gefühle entweder der Ablehnung oder der Sympathie. Die Einbindung des Dionysos in den von der Aufklärung und dann von der Romantik überbetonten Gegensatz zu Apollon hatte aber in beiden Fällen - der Ablehnung und der Sympathie - eine einseitige Interpretation zur Folge: wie die dionysischen Züge Apollons blieben auch die apollinischen des Dionysos unterbelichtet.

Für die Auswertung der vielen Zeugnisse der bildenden Kunst - in erster Linie der zwischen dem 6. und dem 4. Jahrhundert entstandenen Vasenbilder - war die Zeit in den dreissiger Jahren noch nicht reif: Weder waren ein genaues chronologisches Gerüst noch adäquate Interpretationsansätze erarbeitet.

NEUE ANSÄTZE

Die Situation änderte sich erst zwei Jahrzehnte später, und zwar aus inneren und aus äusseren Gründen. 1951 erschienen zwei ganz verschiedene Studien - des Engländers E. R. Dodds und des Franzosen H. Jeanmaire -, die das Irrationale in der griechischen Religion und besonders im Dionysoskult ins Zentrum stellten. Damit wurde eine für den Gott charakteristische, aber mit dem bis dahin geltenden Religionsbegriff wenig kompatible Seite zum Forschungsthema. Das war auch eine Reaktion auf die klassizistische, einseitig philhellenische Einstellung der Vorgänger: Nicht zufällig spielen in beiden Werken neben den antiken Quellen die Erkenntnisse der Ethnologie eine wichtige Rolle.

Dazu kam die archäologische Entdeckung mykenischer Schriftzeugnisse (der Linear-B-Täfelchen) aus den Herrschersitzen des 2. Jahrtausends v. Chr. in Griechenland. Ihre 1952 durch Michael Ventris erfolgte Entzifferung hatte revolutionäre Folgen. Sie bewies nämlich, dass in Griechenland schon vor der angeblichen Dorischen Einwanderung griechisch gesprochen wurde: Die historischen Umwälzungen der Zeit um 1000 v. Chr. und die sich daraus entwickelnde klassische Kultur waren also nicht auf ein von Norden eingedrungenes neues Volk zurückzuführen. Ausserdem entdeckte man unter den Göttern, die in den mykenischen Palästen verehrt wurden, auch den Namen des Dionysos: Von einer späteren Übernahme seines Kultes von Thrakien oder von Phrygien her konnte also keine Rede sein, auch nicht von seiner angeblichen Zugehörigkeit zur bäuerlichen Unterklasse.

In den siebziger Jahren - wohl nicht zufällig nach 1968 - begannen sich diese Neuigkeiten voll auszuwirken. In der Folge der Entdeckung des Dionysos in der bronzezeitlichen Kultur Griechenlands, aber auch unter dem Eindruck der bedrohlichen atomaren Waffen entstand der Dionysos von Karl Kerényi (1897-1973) als bereits im minoischen Kreta wirkendes «Urbild des unzerstörbaren Lebens». Tiefgreifende Veränderungen brachten der Altertumswissenschaft sodann zwei neue Schwerpunkte des Interesses: die Forschungsgeschichte als kritische Überprüfung fachspezifischer Denkkategorien und die Kulturanthropologie. Der Altertumsforscher, ob Philologe, Archäologe oder Religionshistoriker, sieht sich nicht mehr als Erben und Vermittler einer vorbildhaften Kultur, sondern gleichsam als Entdecker und Deuter von Zivilisationen vergangener Zeiten.

Dadurch ist als Besonderheit der klassischen griechischen Kultur ein neues Thema aktuell geworden: das Symposion. Diese Form von Geselligkeit unter Männern mit all ihren körperlichen und geistigen Freuden war schon lange bekannt. Die Freuden des «Zusammen-Trinkens» (das heisst Symposion wörtlich) unter Gleichberechtigten genoss man allerdings nicht regellos, sondern unter Befolgung ritualisierter Abläufe. Wie die damaligen Akteure müssen deshalb heutige Interpreten auf die konkreten Umstände achten, unter denen im Symposion Kunst entstand und Kunstwerke gebraucht wurden. So liest man heute die altbekannten Gedichte mit anderen Augen, nämlich als mündliche und musikalische Performances. Die Bilder auf den Trink- und Mischgefässen wollen nicht als beliebige Illustrationen von Mythos und Leben gesehen werden, sondern als Ausdruck der Werte, nach denen sich das Leben der Symposiasten, und damit auch der ganzen Gesellschaft, richtete.

Im symposialen Beisammensein spiegelt sich also, was das Gemeinwesen begründete und dauerhaft machte. Kein nebensächlicher Faktor gesellschaftlicher Stabilität wird ausserdem gewesen sein, dass im Symposion jene menschliche Regungen befristet und im gegebenen Rahmen ausgelebt werden durften, die zwar ein gefährliches Gewaltpotenzial enthalten, aber auch Kreativität und Lebensfreude fördern, allen voran die Sexualität. Patron des Symposions ist Dionysos also nicht nur als Gott des Weines, sondern auch als Anführer der mit ihrer Sexualität übermütig spielenden Silene. In diesem Rahmen wird sein Doppelgesicht verständlich: Gerade als Garant der Ordnung und der Stabilität des Gemeinwesens lässt er euphorische Gefühle, kreative Phantasie, musikalische und erotische Ekstase zu. Nach der Ekstase ist damit das zweite Element im Dionysischen «rehabilitiert», das im 19. Jahrhundert zur Ausgrenzung des Gottes geführt hatte.

Als Folge dieser Veränderung der Forschungsperspektive wird in den letzten Jahren der seit Winckelmann beliebte, von Nietzsche populär gemachte und durch die Wissenschaft allzu leichtfertig eingesetzte Gegensatz apollinisch - dionysisch zunehmend hinterfragt. Dabei soll nicht nur genauer abgeklärt werden, inwieweit der moderne Mythos auf antiken Realitäten beruht. Vielmehr will man anhand von Apollon und Dionysos das polytheistische System als Ganzes, als Ausdruck einer bestimmten Weltsicht und Kultur, besser verstehen lernen. Dazu gehören auch die anderen Götter. Diese mögen zwar kulturtypische Strukturen verkörpern, doch haben sie sich wie alles, was geschichtlich ist, im Lauf der Zeit ständig verändert. Anhand der Vasenbilder können wir zum Beispiel feststellen, dass Dionysos um 600 v. Chr. anders gesehen wurde als fünfzig oder hundert Jahre später. Entsprechend muss sich sein Verhältnis zu Apollon, aber auch zu den anderen Göttern verändert haben: Zwischen 600 und 400 v. Chr. haben ja sowohl Athen wie auch andere griechische Staatswesen tiefgreifende institutionelle und soziale Wandlungen durchgemacht. Demzufolge konnte je nach Zeit und Ort Apollon auch dionysische, Dionysos auch apollinische Züge an den Tag legen. Nachdem die neuzeitlichen Vorlieben und Vorurteile einmal als solche erkannt sind, erscheinen die antiken Götter heute komplexer, aber wohl auch besser imstande, vergangenes Leben und Denken zu vermitteln.

 

 


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