Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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© Tagesanzeiger Schweiz, 16. August 2001, Seite 8

 

Neues Leben in der Römerstadt

Die Altertümer von Augusta Raurica ziehen immer mehr Besucher an. Römerstadtchef Alex Furger hat die Augster Ruinen in den letzten Jahren erfolgreich entstaubt.

Von Felix Maise, Augst

Augusta Raurica ist den meisten Schweizerinnen und Schweizern aus ihrer Schulzeit ein Begriff. Im Geschichtsunterricht gehört die Römerstadt am Rhein vor den Toren Basels wie Morgarten und das Rütli zum eisernen Bestand. Unzählige Schulklassen besuchen Jahr für Jahr die Altertümer in der Baselbieter Gemeinde Augst und im benachbarten aargauischen Kaiseraugst. Augusta Raurica ist der meistbesuchte Ort im ganzen Baselbiet.

Jährlich kommen 140 000 Besucher nach Augst, ein Drittel davon sind Schulklassen. "Das Potenzial Augusta Rauricas ist aber noch längst nicht ausgeschöpft", sagt Alex Furger, seit über zehn Jahren der kantonale Chefbeamte für die Römerstadt. "Erst jetzt beginnt man auch den wirtschaftlichen Nutzen des Standorts zu entdecken."

Futuroscope als Vorbild

Vor den Sommerferien präsentierte die Baselbieter Regierung aus diesem Grund ihre Vision eines Erlebnisraums am Rhein rund um Augst mit der Römerstadt im Zentrum. CVP-Baudirektorin Elsbeth Schneider sprach überschwänglich von einer "historischen Stunde, die keine Parallele in der Baselbieter Geschichte hat". In den nächsten Jahren soll nach dem Willen der Gesamtregierung zwischen der Autobahn A 2 und dem Rhein "ein weit über die Schweiz hinaus bekannter, beispielhafter Erlebnisraum" entstehen, in dem das kulturelle Erbe mit der Zukunft verbunden werden soll.

Als Vorbild dient den Planern der französische Erlebnispark Futuroscope bei Poitiers. Man wolle die natürlichen Ressourcen des Standorts "behändigen und auf intelligente Art veredeln", stimmte SP-Kultur- und Erziehungsminister Peter Schmid in den euphorischen Regierungstenor ein. Das Terrain für die schönen Planungsvisionen hat in erster Linie der kantonale Römerstadtchefbeamte Alex Furger vorbereitet. Seit er vor 17 Jahren in Augst das Ruder übernommen hat, ist Bewegung in das zuvor doch eher trockene Dossier gekommen. Der frühere Graben zwischen einer kleinen eingeweihten Fachgemeinde und der grossen, weniger interessierten Öffentlichkeit ist ebenso kleiner geworden wie derjenige zwischen den Römerforschern und der Gemeinde Augst.

Lange Jahre hatte man im 800-Seelen-Dorf an der Mündung der Ergolz in den Rhein wenig Freude an den Archäologen. Fast alle Bauvorhaben der Gemeinde und ihrer Einwohner wurden durch die gesetzlich vorgeschriebenen archäologischen Grabungen verzögert, zum Teil ganz verunmöglicht. Die reiche römische Vergangenheit schien die Entwicklung des Dorfes zu verhindern. "Hier hat inzwischen ein Sinneswandel stattgefunden", glaubt Furger. "Die Augster, die bereits hier wohnen, schätzen heute ihre dank den Römern grün gebliebene Wohnumgebung."

Zur Befriedung der Lage in der Gemeinde haben zwei grosse Landkäufe des Kantons in den letzten 15 Jahren viel beigetragen. "Heute gibt es im Zentrum der einst 20 000 Einwohner zählenden Römerstadt deshalb nur noch wenig privates Bauland", sagt der Augusta-Raurica-Chef. Zur grösseren Planungs- und Rechtssicherheit beitragen soll auch ein neues kantonales Archäologiegesetz, das demnächst vors Kantonsparlament kommt. Eine grundsätzliche Praxisänderung bringt es jedoch nicht: Schon bisher galt in Augst ein vom Bund verordnetes Sonderrecht. So erhalten Bauherren für die durch die archäologischen Notgrabungen entstehenden Wartezeiten keine Entschädigung. "Ein Einfamilienhausprojekt verzögert sich normalerweise um rund ein Jahr", erklärt Furger. So lange braucht eines der ständig ausgelasteten Grabungsteams, um einen Standort notfallmässig zu erfassen und auszugraben.

Gewachsen ist das Verständnis den Grabungen gegenüber vor allem durch die von Furger bewusst geführte Politik der Öffnung, den Abbau der Berührungsängste. Unter seiner Ägide sind die Römer und ihre Hinterlassenschaft in den letzten Jahren immer populärer geworden. Zu verdanken ist das einer ganzen Reihe von publikumswirksamen Aktivitäten, vom römischen Kochkurs nach Rezepten des Apicius, übers römische Brotbacken, das Münzenprägen, Tonmodellieren bis zum Auftritt veritabler römischer Legionäre. "Unter dem Motto Spiel, Spass und Spektakel bringen wir unseren Gästen vor allem an unserem alljährlichen Römerfest die römische Geschichte und das römische Alltagsleben näher. An diesem Tag verlieren wir alle wissenschaftlichen Hemmungen", so Furger, "allerdings immer so, dass das Ganze historisch noch stimmt." Zum populären Angebot gehören auch zwei Comicbände, welche die Geschichte von Augusta Raurica erzählen, die Möglichkeit, unter Anleitung selber zu graben, sowie ein römischer Haustierpark. "Wir geben den Leuten so etwas von dem zurück, was sie mit ihrem Steuergeld möglich machen", meint Furger.

Ein Römerfest fürs Volk

Und wenig ist das nicht: Zurzeit wird gerade das weltberühmte römische Theater einer vollständigen Sanierung unterzogen. Kostenpunkt: 17,3 Millionen Franken. Im Jahr 2006 sollen diese Arbeiten fertig sein. Geplant ist schliesslich auch ein Museumsneubau, denn die bisherigen Ausstellungsräume neben dem rekonstruierten Römerhaus platzen längst aus allen Nähten. "Ich hoffe, dass wir den Neubau in fünf bis acht Jahren realisiert haben", sagt Furger. Sein Optimismus ist durchaus berechtigt, denn politisch geniesst die Römerstadt im Kanton dank seinem Engagement viel Rückenwind. Wer Furgers schlaue Römerpolitik hautnah erleben will, hat am Römerfest 2001 vom 26. August einmal mehr Gelegenheit dazu.

 

 


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