Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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Quelle:

Neue Zürcher Zeitung Ressort Tourismus, 26. April 2001, Nr.96, Seite 79

 

Aphrodites Rosenwasser

Göttliche Spuren auf Zypern

Dass die Liebesgöttin eigentlich eine Südzypriotin war, liegt auf der Hand: Aphrodite, Tochter der Gaia und des Uranos, stieg als vollkommene Verbindung von Erde und Himmel in Pétra tou Romioú an der Westküste aus dem Meer. Touristen nehmen den Ortstermin zwischen Paphos und Lemessos heute noch wahr, vorzugsweise bei Sonnenuntergang, obwohl die Bucht am Fuss des berühmten Felsens nicht romantischer aussieht als andere Strände der Insel. Der Name wird mit Fels der Griechen übersetzt, obwohl er wörtlich zu Deutsch Oströmer und somit Byzantiner bedeutet. Archäologische Funde in Kouklia belegen, dass hier eines der grössten Aphrodite-Heiligtümer stand.

Die göttlichen Spuren werden imagebewusst gepflegt und auch schlitzohrig vermarktet. Ihr lauschiges Badeplätzchen ist zwar ein ziemlich schlammiger Tümpel, aber trotzdem ein beliebtes Ausflugsziel auf der schönen, weitläufigen Akamas-Halbinsel, auf der die Frage, wie viel Naturschutz selbige brauche, ein Dauerbrenner ist. Das teuerste Hotel der Insel, das «Anassa», liegt jedenfalls mittendrin. Es ist allerdings eine Oase der Schönheit, ein Juwel - Aphrodite wäre bestimmt als Erste eingezogen. Doch zu ihrer Zeit gab es noch keine 85 303 Hotelbetten.

Rosenwasser für Haut und Küche

Was die Kosmetik anging, konnte sie bestimmt schon auf das traditionelle Rosenwasser zurückgreifen, obwohl die berühmteste Adresse im Bergdorf Agros, Chris N. Tsolakis, erst seit hundert Jahren in grösserem Stil ihre wunderbar duftenden Damaszener Rosen pflegt und die Essenz in Fläschchen abfüllt. Dort erst wurden wir belehrt, dass es zwei Varianten des gleichen Produktes gibt: eins für die Haut, das andere für die Küche.

Zu den kulturhistorischen Zeugen der 9000-jährigen Geschichte auf der drittgrössten Insel im Mittelmeer - nach Sizilien und Sardinien - gehören prähistorische Rundhäuser, antike Tempel und Paläste, Königsgräber und Amphitheater. Die wie Bilderbücher mit Fresken ausgemalten byzantinischen Kirchen - am berühmtesten die «Scheunendachkirche» von Asínou - sind als Unesco-Weltkulturerbe registriert.

Die Bade- und Plauschretorte Ayia Napa, ein nach der türkischen Okkupation des Nordens touristisch ausser Rand und Band geratenes Fischerdorf, kann man getrost auslassen, es ist der rund um das Kloster hoch geklotzte «Ersatz» für den landschaftlich und kulturell touristisch interessanten «verlorenen» Norden. Erholen kann man sich in den idyllischen Tavernen im benachbarten Liopétri, mit Blick auf die schaukelnden bunten Fischerboote. Die Hafenstadt Paphos wird man nicht auslassen wegen der Mosaikhäuser, wegen des Wunschbaums der Ayia Solomóni, wegen des bunten Marktes in der Oberstadt und des Strandcafés Ta Bánia. Da sitzt man beim Nationaldrink Brandy Sour und guckt den einheimischen Schwimmern zu, die nach der Arbeit ins Wasser hechten. Paphos heisst nach dem Sohn des mythischen zyprischen Königs Pygmalion und seiner Marmorgeliebten Galatea. Die Familienverhältnisse waren ziemlich verwirrend: Paphos hatte mit seiner Schwester Metharme einen Sohn, den Kinyras, der später mit seiner Tochter Myrrha den Adonis zeugte . . . An dem ganzen amourösen Kuddelmuddel war eigentlich Aphrodite schuld - und der Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat.

Agrotourismus für Individualisten

Eine zunehmend beliebte Alternative zu den Strandhotels, die in der Regel mit einem überdurchschnittlich guten Preis-Leistungs-Verhältnis und oft auch paradiesischen Gartenanlagen überzeugen, sind restaurierte landestypische Häuser in den Dörfern. Diese liegen im Hinterland, bieten zwar weniger standardisierten Luxus, dafür aber viel Lokalkolorit, frisch bezogene rustikale Betten, eine Küche, Orangenbäume im sozusagen eigenen Garten und meistens auch eine Klimaanlage. In den Dörfern begegnet man auch der landestypischen Gastfreundschaft, der Philoxenia. Der Verkäufer im winzigen Laden, wo man sich ohne weiteres eine komplette Aussteuer kaufen könnte, wird sich beim dritten Besuch nach dem Privatleben erkundigen, aber auch gern erklären, wie man ein richtiges Tzatziki zubereitet, das auf Zypern Talatouri heisst. Abends und natürlich am Wochenende geht es in der Taverne hoch zu und her. Die köstliche Folge von zwei Dutzend Plättchen quer durch die zypriotische Küche heisst Meze. Kopiaste! - so lautet der traditionelle Willkommensgruss auf Zypern, und er bedeutet genau genommen: Setz dich zu uns, nimm Platz an unserm Tisch!

Ein nicht alltägliches kulinarisches Event erwartet den Gast beispielsweise bei Kyria Angela im «Amarkos Inn» in Kato Akourdalia. Sie hat das stattliche Haus ihres Grossvaters zu einem grosszügigen, auch familientauglichen Logis für Individualtouristen umgestaltet, mit Swimmingpool, einem kleinen Garten mit Granatapfelbäumen, die ihre Gäste plündern dürfen, und vielen Katzen. Aufgetischt wird im mit Familienfotos tapezierten Restaurant oder draussen im stimmungsvollen Hof.

Der Kräutergarten in Pano Akourdalia, ein paar Kurven weiter, wird von Jahr zu Jahr üppiger. Es duftet intensiv nach Lavendel und Minze. Hinter der restaurierten Kirche hat die Familie Loizou in der privaten Wohnstube ein winziges Kafenion eröffnet. Die Grossmutter springt hoch vom Sofa, über dem ihre Hochzeitsfoto hängt, offeriert Limonade und Gebäck. Als es ums Bezahlen geht, fordert sie erst zögernd ein Pfund, dann verdoppelt sie kühn den Preis. Schliesslich sind sie immer noch am Bauen. Das kostet.

Esther Scheidegger Zbinden

Informationen: Fremdenverkehrszentrale Zypern, Tel. (01) 262 33 03, Internet: www.cyprustourism.org

 


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