Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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Quelle:

Neue Zürcher Zeitung Ressort Zürich und Region, 13. Februar 2001, Nr.36, Seite 45

 

Die Göttin unter dem Kiesplatz

Römische Minerva-Büste in Oberweningen entdeckt

cn. Bei Ausgrabungen auf dem Gelände eines römischen Gutshofs in Oberweningen haben die Zürcher Kantonsarchäologen einen seltenen Fund gemacht: Unter dem Kiesplatz eines Innenhofs stiessen sie auf den etwa acht Zentimeter hohen, gut erhaltenen Bronzekopf der Göttin Minerva. Der Fund von Bronzeobjekten aus der Römerzeit gehört nicht unbedingt zum Alltag der Archäologen. Da früher das wertvolle Metall nach Möglichkeit wiederverwertet wurde, sind grössere Metallgegenstände selten vollständig erhalten geblieben. Um so grössere Bedeutung misst die Kantonsarchäologie der gut erhaltenen Bronzestatuette bei.

Erst die zweite Minerva

Aus der Schweiz sind zwar verschiedene Minerva-Darstellungen bekannt, die Schutzgöttin der Stadt Rom wurde aber seltener dargestellt als etwa Merkur. Im Kanton Zürich ist bisher erst eine Minerva-Figur aus Bronze entdeckt worden: Sie gehört zu einer Gruppe von vier Bronzestatuetten und acht Gefässen, die 1978 am Rand einer Häuserzeile in Oberwinterthur gefunden wurden. Während diese Objekte wohl zu einem kleinen Hausaltar, einem sogenannten Lararium, gehörten, ist den Kantonsarchäologen noch unklar, wie die Göttin unter den Kiesplatz des römischen Innenhofs kam. «Normalerweise hat man Kultgegenständen Sorge getragen», sagt Grabungstechniker Rolf Gamper. «Deshalb waren wir erstaunt, als wir im Innenhof auf die Statue stiessen.»

«Tag des offenen Bodens» geplant

Der kaum korrodierte Bronzekopf stammt aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. und ist in gutem Zustand. Minerva, die auch als Schirmherrin der Handwerker, Dichter und Lehrer verehrt wurde, trägt den für sie charakteristischen Helm und weist mehrere Löcher in der Standplatte auf. Die Archäologen vermuten deshalb, dass die Figur ursprünglich ein hölzernes Möbel oder einen Wagen zierte. Möglicherweise stand sie aber auch auf einem Holzsockel in einer Kultnische. Gefunden wurde die Statue zwischen zwei Nebengebäuden des vor mehr als 100 Jahren entdeckten Hauptgebäudes des Gutshofs. Die mittlerweile wieder zugedeckte Villa wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgegraben und zeichnet sich durch reichen Säulenschmuck, Wandmalereien und Mosaikböden aus. Ein ausserordentlich schönes Mosaik, das die Darstellung eines wohl besonders erfolgreichen Jagdhundes zeigt, wird im Landesmuseum aufbewahrt. Obwohl die Ausgrabungen bisher wenig zutage förderten, erhofft man sich von den weiteren Grabungen Aufschlüsse über die Ausgestaltung und die Nutzung des stattlichen Gutshofs.

Später soll ein «Tag des offenen Bodens» durchgeführt werden, an dem die Öffentlichkeit Einblick in die interessante Geschichte Oberweningens erhält. Wo die Statue dereinst aufbewahrt werden soll und wer die Restaurierung vornimmt, ist noch unklar. In Betracht kämen das Landesmuseum oder das Regionalmuseum für das Unterland in Oberweningen.

 


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