Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)
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Neue Zürcher Zeitung INLAND Dienstag, 06.06.2000 Nr.130 15
Städtchen aus der Römerzeit in Sursee
Die einzige städtische Siedlung in der Zentralschweiz
mjm. Sursee, 5. Juni
Nur wenige Meter vom mittelalterlichen Kern von Sursee entfernt haben Archäologen Hausgrundrisse aus römischer Zeit ausgegraben. Die Überreste wie Gräben für Balken und Pfostenlöcher sowie die überreich gefundenen Fragmente von Alltagsgegenständen belegen, dass in diesem Teil von Sursee in römischer Zeit unter anderm ein Handwerkerviertel stand. Dieses gehörte zu einer römischen Siedlung, das als städtisches und gewerbliches Zentrum für das Umland diente. Das untersuchte Gebiet auf dem Vorplatz des Schulhauses St. Georg und im Bereich der ehemaligen Musikschule umfasst mehrere tausend Quadratmeter. Die Überreste bleiben voraussichtlich bis zum Sommer sichtbar und müssen dann einem Büro- und Geschäftsgebäude sowie einer Strasse weichen.
Hinweise auf Steinhäuser
Das zwanzigköpfige Grabungsteam der Luzerner Kantonsarchäologie ist bis jetzt auf die Überreste von zwei Häuserreihen gestossen. Es handelte sich um einfache Fachwerkhäuser, die aus Holzkonstruktionen bestanden, bei denen die mit Flechtwerk oder mit Steinen gefüllten Zwischenwände mit Lehm überstrichen wurden. Die Funde stammen aus dem ersten bis dritten Jahrhundert nach Christus. Nach den Überresten wurden die Gebäude im 2. und 3. Jahrhundert benutzt. Im weiteren gab die Erde Spuren von kellerartigen Vorratsgruben und einen Webkeller aus römischer Zeit frei, der wissenschaftlich hohe Bedeutung hat. Hingegen sind bisher keine Spuren von Tempeln oder Bädern entdeckt worden. Dass es auch Steinhäuser gegeben haben muss, wird unter anderem deshalb angenommen, weil Fragmente einer römischen Wandheizung und die typischen schweren Dachziegel gefunden worden sind.
Die Bedeutung des römischen Städtchens in Sursee lässt sich heute erst erahnen: Es handelte sich um den einzigen Ort in der Zentralschweiz mit Verwaltungsfunktion, öffentlichen Gebäuden, einer Tempelanlage, privaten Häusern für Gewerbe und Handel sowie Tavernen und vielem mehr. Die kleinstädtische Niederlassung, vicus genannt, hatte ihr eigenes Hinterland, das aus einem relativ dichten Netz von römischen Villen bestand, die jeweils bis zu zwei Kilometer auseinander lagen. Rund 25 solcher Gutshöfe sind im Kanton Luzern gemäss Kantonsarchäologe Jakob Bill bekannt. Die nächstliegenden, die teilweise ausgegraben sind, waren jene in Büron, Eich, Oberkirch und Triengen. Die nächsten ähnlichen römischen Städtchen im Mittelland waren Olten und Lenzburg. Dass südlich von Sursee, stärker gegen die Voralpen und Alpen hin, noch weitere römische Siedlungen gefunden werden, ist laut Bill unwahrscheinlich, da die Streuung der Gutshöfe sehr gering ist. Sursee, am Südende des Wigger- und Surentales gelegen, lag an einer Verkehrsachse. Von dort führten Wege nach der Römerstadt Augusta Raurica und nach Vindonissa, nach Süden bot sich der Brünig als Passübergang an.
Grab aus der Bronzezeit
Im weiteren stiessen die Archäologen auf die Reste eines bronzezeitlichen Grabes, das neben Keramikscherben verbrannte Knochenreste enthielt, was als Hinweis dafür gelten kann, dass die Toten verbrannt und nicht mehr in einem Sarg bestattet wurden. All diese Überreste ergänzen ältere Funde. Seit 1992 werden in Sursee auf den Arealen Käppelimatt und Chrüzliegg archäologische Sondierungen und Ausgrabungen durchgeführt. Den Anstoss gaben jeweils Bauvorhaben. Vor zwei Jahren stiessen die Archäologen unter anderem auf die Reste von Gräbern aus der Bronze- (13. Jahrhundert v. Chr.) und Eisenzeit (7. Jahrhundert v. Chr.). Die im Winter vorgesehene wissenschaftliche Auswertung der Siedlungsspuren, deren Finanzierung noch nicht gesichert ist, dürfte weitere Erkenntnisse liefern..
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