Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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FAZ FEUILLETON Mittwoch, 07.06.2000 Nr.131   53

 

Wo Menelaos und Helena landeten

Sensationelle Funde in der Bucht von Abukir

Die Heimreise des Odyssens nach dem Untergang Troias dauerte lange, sehr lange. Erst nach zehn Jahren konnte er auf Ithaka seine Penelope in die Arme schliessen. Menelaos, König von Sparta und Gatte der schönen Helena, des Grundes allen Übels für Griechen und Troianer, hatte es leichter: Er hatte seine Frau direkt nach der erfolgreichen Aktion mit dem berühmten Holzpferd wieder und begab sich ohne Eile auf die Heimfahrt. Diese gestaltete sich laut der griechischen Mythologie offenbar als eine langjährige Kreuzfahrt, denn man hatte Zeit. Ein mehrere Jahre dauernder Abstecher galt Ägypten, wo das Paar noch einige Reichtümer sammelte. Auch in Herakleion sollen die beiden gewesen sein, einer Stadt im östlichen Nildelta.

Dieses Herakleion nun hat der französische Meeresarchäologe Franck Goddio wieder gefunden - auf dem Meeresboden. Genauer: etwa sechs Kilometer vor der Mittelmeerküste bei Abukir in einer Tiefe von sechs bis acht Metern unter der Wasseroberfläche. Entdeckt hatten Goddio und sein vierzehnköpfiges Team die Stadt während elektromagnetischer Vermessungen der Bucht von Abukir, die in Zusammenarbeit mit dem Obersten Rat für Altertümer Ägyptens durchgeführt wurden. Innerhalb von zwei Jahren war so die erste elektronische Unterwasserkarte dieser Gegend entstanden.

Die Forscher staunten nicht schlecht, als sie am Meeresgrund gut erhaltene Ruinen von eingestürzten Tempeln und Häusern, gepflasterte Strassen, das Abwassersystem, fünf bis sieben Meter hohe Statuen, Sarkophage und Granitschreine entdeckten - alles mit Sand bedeckt, der an manchen Stellen nur dreissig Zentimeter, manchmal aber auch zwei Meter mächtig über den Resten und Kunstwerken lag. Neunzig Meter lange Mauerwände und die hundertfünfzig Meter lange Kaianlage sind aus dem Sand aufgetaucht.

Rund einen Quadratkilometer bedeckte das an der Mündung eines Nilarms liegende Herakleion einst, von dem in antiken Schriftquellen berichtet wird. Reichtum, Luxus und Dekadenz sind die Schlagworte Strabons und Seraecas, die ein wohl etwas einseitiges Bild der Stadt mit zahlreichen Heiligtümern für Isis und Serapis zeichnen, in der Herodot während seiner Ägyptentour auch einen Heraklestempel sah. Ihre Stellung als Zugang Ägyptens zum Mittelmeer zur Zeit des Neuen Reichs und damit als florierende Zollstation verlor Herakleion erst mit der Gründung Alexandrias 331 vor Christus.

Nahe bei Herakleion lag die Stadt Menouthis, die Goddio ebenfalls wieder aufgespürt hat. Auch hier sind die Funde viel versprechend. Das antike Kanopus hat er mittlerweile vermessen. Wann und warum die drei im Altertum berühmten Städte im Meer versunken sind, ist bislang ungeklärt. Vieles deutet aber darauf hin, dass ein Erdbeben die Katastrophe ausgelöst hat. Jedenfalls sind laut Goddio die Wände zusammengefallen "wie beim Domino". Spektakulär ist sicherlich die Bergung weiterer Fragmente des sogenannten Naos der Dekaden, einer schwarzen, monolithischen Basaltkapelle, deren hieroglyphische Inschriften den Weg bestimmter Sterne am Nachthimmel beschreiben. Bereits 1777 und 1940 waren Teile des Tabernakels gefunden worden, die heute im Louvre und in Alexandria aufbewahrt werden.

msi.

 

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Kopf eines Pharao
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Kopf eines Pharao
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Serapis
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Isis-Statue
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Naos der Dekaden
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