Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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Text-Quelle:

Tages-Anzeiger, Ausgabe vom 22. März 1999

 

"HÖREN WIR AUF MIT DIESER REFORMITIS!"

Ein Wissenschaftler, ein Theologe, ein Unternehmer und eine Politikerin sagten, was sie von der Schule erwarten.

Mit seinen Reformvorschlägen hat Bildungsdirektor Ernst Buschor die Diskussion um die Schule der Zukunft eröffnet. Die Vereinigten Lehrerinnen- und Lehrerverbände des Kantons Zürich luden am Freitagabend vier Fachleute zum Diskurs ein.

"Hören wir auf mit dieser Reformitis." Deutlicher hätte die Warnung von Rolf Dubs, Professor für Wirtschaftspädagogik an der Hochschule St. Gallen, nicht ausfallen können. Schulen, die permanent reformieren, gehören laut Dubs im internationalen Vergleich nicht zu den Spitzenschulen. "Die Schulen sind nicht so gut wie ihre Reformen, sondern so gut wie ihre Lehrer." Dubs appellierte eindringlich, mit der sozialen Demontage der Lehrerschaft aufzuhören, denn nichts sei für eine gute Schule wichtiger als zufriedene Lehrerinnen und Lehrer.

Wer glaubte, Dubs wolle alles beim Alten lassen, lag aber falsch. Man müsse sich permanent fragen, wie die Schule besser werden könne. Falsch sei aber die Frage: Was wollen wir ändern? Die Frage müsse richtig lauten: Was war bisher gut? Und das dürfe man nicht kaputt machen. Eine der grössten Errungenschaften der heutigen Schule sei ihre integrative Ausrichtung. Die Schule müsse aber leistungsorientiert sein. Als sinnvoll erachtet er eine Basisstufe, wie sie Buschor vorschlägt. Ebenso klar sprach sich Dubs für einen frühen Englischunterricht aus: "Wir strafen die Kinder, wenn wir sie nicht auf die Ansprüche in ihrem künftigen Berufsleben vorbereiten."

Auch für Christoph Stückelberger, Mitglied der Eidgenössischen Ethikkommission für Gentechnik, ist die Schule nur dann gut, wenn die Lehrkräfte an die Zukunft glauben. Die Schule müsse widerstandsfähige, gemeinschaftlich denkende Menschen heranbilden. Deshalb müsse sie den Kindern eine religiöse Verankerung bieten. Diese biete Schutz gegen jegliche Art von Fundamentalismus.

Auf die Wagnisse vorbereiten

In einem eindrücklichen Referat plädierte Hans Widmer, Exchef des Oerlikon-Bührle-Konzerns, für eine Schule, die den Jugendlichen Können und Wissen vermittle und ihr Selbstwertgefühl stärke. Im Leben sei nichts gesichert und jede Handlung ein Wagnis. Für Widmer muss diese Einsicht dem ganzen schulischen Wirken zu Grunde liegen. Die Jugendlichen müssten zudem lernen, dass die Welt veränderbar sei. "Dies geht aber nicht, wenn die Lehrer ihre Schüler wie Stopfgänse vollpfropfen, weil Stopfgänse Opfer und nicht Gestalter sind", so Widmer.

SP-Kantonsrätin Elisabeth Derisiotis schliesslich hielt es mit linken Postulaten: Sie forderte eine starke Staatsschule, in der sich alle gleichberechtigt und frei entfalten können.

 

 

 


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