Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)
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Tages-Anzeiger Region Zürich 25.11.1999
Gutsherr liebte die Hirschjagd
Neun Brandgräber, 800 Kilogramm Knochen und fast eine Tonne Keramik gab er her: der römische Gutshof in Neftenbach.
Von Christoph Schilling
Dieses Werk werde bald zum Standard in der Forschung werden, ist Kantonsarchäologe Josef Gisler überzeugt. Er meinte damit die zwei kiloschweren Bände zum römischen Gutshof in Neftenbach, die gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
Die Grabungen in Neftenbach dauerten vier Jahre. Es sind die aufwändigsten, die die Kantonsarchäologen Zürichs je ausgeführt haben. Hundert Leute waren an den Grabungen beteiligt.
Jürg Rychener, Autor der beiden Bände, erklärte, ein Archäologe sei heute mehr als nur ein Scherbensammler. Man versuche, auch die Erkenntnisse der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte zu berücksichtigen.
Beim Gutshof Neftenbach handelte es sich nicht einfach um einen kleinen Bauernhof, sondern um einen Grossbetrieb mit 120 Angestellten. Er versorgte den damaligen Vicus Vitudurum (Oberwinterthur) und die Truppen in Vindonissa mit Lebensmitteln. Das Ziel war: möglichst viel Rendite zu machen. Der Gutsherr war also, modern gesagt, der Prototyp eines Nahrungsmittelindustriellen.
Der Gutshof Neftenbach bewirtschaftete zirka 400 Hektaren Ackerland. Dazu kamen Weiden für die Viehzucht. Neben Getreide baute man auch Sellerie, Ackerbohnen und Linsen an. Eine Besonderheit in Neftenbach: Der Gutsherr liebte offensichtlich die Hirschjagd. Auch Hase muss oft auf der Speisekarte gewesen sein.
Der Gutsherr lebte mit seiner Familie im Herrenhaus. Und das war nicht zu knapp bemessen: 1500 Quadratmeter Wohnfläche hatte die römische Familie zur Verfügung. Zum Vergleich: Ein Landarbeiter auf dem Hof musste 90 Quadratmeter mit neun andern teilen. Die Schweinezucht deutet auf Luxus hin: Schweinefleisch konnten sich im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus laut Rychener nur die Reichen leisten. Der Hof umfasste 29 Einzelbauten, darunter ein Badehaus, eine Kammer, um Fleisch zu räuchern, und Räume, um Flachs und Leder zu veredeln.
Die Archäologen fanden auch neun Brandgräber. In einer Urne lagen Teile des Schädels und Skelettknochen einer zirka 17-jährigen Person. Darüber lag als Speisebeigabe ein Schweinekiefer. Um die Urne herum waren Reste des Scheiterhaufens verteilt.
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