Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)

 

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Quelle:

NZZ, Ausgabe vom 21. 06. 1999 Nr. 140  10

 

 

In Lousonna an Land gehen

Visualisierte Basilika und Petition für das entdeckte Theater

rfr. In Lausanne hat sich in diesem Winter Lousonna in Erinnerung gerufen. Einige Schritte stadtwärts des riesigen Kreisels von der Maladière, auf den man trifft, wenn man die Südausfahrt der Autobahn benützt, wurden in einer Baugrube die Reste eines gallo-römischen Theaters entdeckt. Ausgegraben wurden der Bühnenbereich und eine Sitzreihe, hinter der die restliche Anlage im Abhang unter der Avenue des Figuiers verschwindet. Die Anlage dürfte einen Durchmesser von etwa sechzig Metern gehabt haben. Dass hier ein Theater bestand, war bisher nicht bekannt. Lousonna hatte zwar als Verkehrsknotenpunkt Bedeutung, war aber kein Aventicum vergleichbares Zentrum. Die entdeckte Anlage ist - dem Beispiel von Lenzburg verwandt - von der Grössenordnung und Art der Theater, wie man sie sich in kleineren Orten leistete.

Gewöhnlich etwas moderater als bei den Archäologen ist die Begeisterung über solche Entdeckungen bei den Behörden und den Bauherren. Immerhin konnte es der Kanton natürlich vor künftigen Generationen nicht verantworten, dass der über der Fundstelle entstehende Neubau die antiken Zeugnisse zerstören würde. Er investiert ein halbe Million Franken, damit das Bauprojekt so abgeändert werden kann, dass - unter Opferung einiger Parkplätze in der Tiefgarage - die Reste des Theaters erhalten bleiben. In welcher Weise diese allenfalls für ein weiteres Publikum zugänglich gemacht werden sollen, will der Kanton (der mit Avenches schon einiges am Hals hat) der Stadt überlassen, die sich bereits um die Ruinen in Lausanne Vidy und das zugehörige Museum kümmert. Die Stadtbehörden zeigten bisher keinerlei Lust, in die Kasse zu greifen; sie finden, der Kanton mache es sich einfach, immer mehr Lasten auf die Gemeinden abzuschieben. Eine Petition, die zu etwas mehr Respekt vor den Ursprüngen der Kantonshauptstadt animieren will, trägt bereits 5000 Unterschriften.

Problemlos und in aller Ruhe kann man sich auf jeden Fall die Ruinen des alten Zentrums von Lousonna anschauen. Der Andrang ist nicht so, dass man sich auf die Füsse träte, und um die Grundmauern der einstigen Basilika herum blüht es gegenwärtig aus dem frischen Gras in allen Farben; besonders der Mohn setzt strahlend rote Tupfen. Lousonna war eine kleine Hafenstadt auf dem Kreuzungspunkt zweier Verkehrsachsen (vom Rhonetal her Richtung Ostschweiz, vom Grossen Sankt Bernhard her Richtung Frankreich). Die Sockel der Säulenreihe, die das Dach der zweischiffigen Basilika trug, geben einen Eindruck von den imposanten Grössenordnungen des Bauwerkes (71 Meter lang, je 18,6 Meter breit und hoch). Ein Weiher, dessen Wasser leise an übriggebliebene Ufermauern schlägt, repräsentiert den See, der seit der Römerzeit einige hundert Meter zurückgedrängt worden ist.

Eine Vorstellung von dem, was sich einst über diesen Ruinen erhoben hat, vermittelt mit lobenswertem didaktischem Geschick das Musée romain de Lausanne Vidy. Die Ausstellung dieses Sommers ist der Architektur und den Funktionen des Forums und der Basilika gewidmet und zeigt als besondere Attraktion einen kurzen Film, der - auf der Basis sorgfältiger und interdisziplinärer Rekonstruktionsstudien und die Computertechnik nutzend - in Zusammenarbeit mit der Genfer Ecole des arts décoratifs entstanden ist. Er führt den Zuschauer vom See her an die Basilika heran und dann über das Forum in die riesige Halle hinein.

Bild

Basilika von Lousonna
(Ausschnitt aus einer computergenerierten Animation)

  

 


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