Realien: Materialien von Anton Hafner (KZU Bülach)
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Text-Quelle:
NZZ, Tourismus, Ausgabe vom 08.07.1999 Nr. 155 61
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Neues
von den Brennenden Feldern
Skulpturenschätze der
römischen Kaiser in Baia
Wo Schönheit, Kunst und kulturelle Kostbarkeiten so üppig wuchern wie in der Provinz Neapel, kann es geschehen, dass etwas abgelegene Orte nicht ihrem Wert entsprechend gewürdigt werden. Die Grotta azzurra von Capri, die Grabungsstätten von Pompei und Herculaneum, endlich die Königsschlösser, die Oper und das archäologische Museum von Neapel selbst vermögen einen Touristen ohne weiteres während eines längeren Aufenthalts zu beschäftigen. Wer darüber hinaus inner- und ausserhalb von gastlichen Häusern die Begegnung mit dem pulsierenden Leben sucht, findet oft keine Zeit mehr, sich den etwas schwerer erreichbaren Schönheiten wie etwa den Phlegräischen Feldern, dem überaus grossen Amphitheater von Pozzuoli oder dem mächtigen Aragon-Kastell von Baia zuzuwenden.
Das ist schade, denn schon die römischen Kaiser wussten den Golf von Pozzuoli, der dank einem Kranz von vulkanischen Kratern vor den Winden aus Westen, Norden und Osten geschützt ist, überaus zu schätzen. In Baia hatten Claudius und Nero ihre Villen, Hadrian verbrachte hier seine letzten Erdentage. Vergil, der Dichter des römischen Nationalepos, schrieb in Cuma mindestens einen (den sechsten) Gesang der Äneis, und was von dieser ersten griechischen Kolonie auf dem italienischen Festland an Befestigungswerk, unterirdischen Gängen, Tempeln und Forum erhalten blieb, ist eine Besichtigung wert, auch wenn die berühmte Sibylle ihre Orakel-Sprechzeiten stark eingeschränkt hat. Drei Binnenseen (Averno, Fusaro, Lucrino) geben der Landschaft eine milde Anmut, in starkem Kontrast zu der öden, löchrigen Kaolin-Ebene der Phlegräischen (brennenden) Felder, aus der seit Jahrtausenden Schwefeldämpfe in die Lüfte steigen und sich auf Lippen und Zunge festsetzen. Die Neuheit der Region besteht jedoch im Museo Archeologico dei Campi Flegrei, das mit beträchtlichem Aufwand und viel Geschmack seit einem halben Jahrzehnt im mittelalterlichen Kastell von Baia eingerichtet wird. Prunkstück ist das erst kürzlich eröffnete Ninfeo mit den aus dem Meer gehobenen Marmorstatuen des Odysseus und eines Gefährten. Beide Statuen waren aus ungeklärten Gründen im Laufe der Geschichte kopfüber ins Meer gestürzt, worauf sich die Meerschnecken an ihnen gütlich taten. Von Odysseus fehlt der Kopf, die Schulterpartie ist bis zum halben Oberarm zernagt worden; sein Gefährte mit dem Weinschlauch ist besser erhalten. Zwei Figuren in den Nischen des Nymphäums - beides Dionysos-Gestalten - lassen wenig Zweifel übrig, dass hier die Szene dargestellt wurde, wie Polyphem trunken gemacht wurde, auch wenn der einäugige tragische Held bisher nicht gefunden wurde. Zu den weiteren Kostbarkeiten des didaktisch gut aufgebauten Museums gehören Statuen von Vespasian und Titus.
Das 25 Kilometer entfernte Neapel beherbergte 1998 eine halbe Million Ausländer. Enge Strassen mit vielen Windungen behindern die Zufahrt zum geschilderten westlichen Landvorsprung nicht wenig, und die lokalen Unterkunftsmöglichkeiten sind - im Gegensatz zu jenen der Gastronomie - begrenzt. Eine Aktivierung der Schiffahrtswege ist geplant. Vom Mole Beverello im Passagierhafen bis zum Cap Miseno braucht man per Schiff auch gute 75 Minuten, aber dabei gleiten in Ruhe die Schlösser, Burgen und ungezählten Villen an einem vorüber, die Neapel den Ruf der schönsten Stadt der Welt eingetragen haben.
Rudolf Stamm |
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des Kaisers Claudius: Plan (38 KB) |
Rekonstruktion (69 KB) |
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mit dem Weinschlauch (20 KB) |
Unterwasser-Grabung (23 KB) |
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